Achtsamkeit Wald Ruhe Sitzen
Gastbeitrag von Christina Albert, Heilpraktikerin für Psychotherapie

Achtsamkeit ist seit einigen Jahren in aller Munde. Man stolpert immer wieder über den Begriff, und dennoch wissen nur wenige Menschen ihn mit Inhalt zu füllen.

Geprägt hat den Begriff vor allem Jon Kabbat-Zinn, ein amerikanischer Molekularbiologe. Er orientierte sich dabei an einer Meditationspraxis aus dem Buddhismus. Grundlage dafür war seine Erkenntnis, dass Stress krank macht. Stress wirkt sich negativ auf das Immunsystem und die körperliche Gesundheit aus, was sich wiederum auf das psychische Wohlbefinden auswirkt, und andersherum. Sein Ziel war es, Menschen in die Lage zu versetzen, besser mit Stress, Anspannung und Krankheit umgehen zu können.

Mittlerweile hat Achtsamkeit in vielen Bereichen Einzug gehalten, unter anderem im medizinischen Bereich. In der Psychotherapie wurde MBSR als Therapieform entwickelt. MBSR steht für Mindfulness based Stress reduction, was übersetzt so viel bedeutet wie Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion. Achtsamkeit wird aber nicht nur als Therapie eingesetzt, sondern unter anderem auch zur Unterstützung des Wohlbefindens. Auch in vielen Firmen wird Achtsamkeit eingesetzt, hat man doch die Erfahrung gemacht, dass sich dadurch sowohl die Stimmung als auch die Produktivität verbessert.

Was ist Achtsamkeit?

Achtsamkeit Mann Berg Sitzen

Achtsamkeit ist eine innere Haltung und eine bewusste Entscheidung. Es geht dabei um die Wahrnehmung von Gedanken, Körperempfindungen und Emotionen und das Ausschalten des Autopiloten, der uns oft durch den Tag steuert. Dabei ist es entscheidend, dass nur wahrgenommen, aber nicht gewertet oder geurteilt wird. Was in dem Moment ist, darf sein. Es wird nicht bewertet.

In unserem leistungsorientierten und hektischen Alltag geht uns viel verloren. Wir sind nur selten in der Lage, die Magie des Augenblicks wahrzunehmen. Zu oft sind wir in Gedanken schon bei der nächsten Handlung oder verlieren uns im Nachdenken über längst Vergangenes.

Zudem verlieren wir uns in Routineabläufen, schalten auf Autopilot. Das ist im Alltag oft nützlich. Es hilft uns, gut durch den Tag zu kommen und komplexe Handlungsabläufe zu koordinieren.

Kannst du dich an deine Fahrstunden erinnern? An das Gefühl, dass das alles viel zu komplex ist, mit Schauen, Wahrnehmen, Schalten, Füße koordinieren etc.? Hattest du auch das Gefühl, das niemals zu schaffen? Du hast es doch geschafft durch wiederholtes Üben und heute laufen alle diese Vorgänge automatisch ab, ohne dass du darüber nachdenken musst. Hier hilft der Autopilot immens, ohne ihn würdest du immer noch gestresst in deinem Auto sitzen und total geschafft am Zielort ankommen.

Dieser Autopilot ist allerdings auch in vielen anderen Bereichen angeschaltet. Beispielsweise bewerten wir andere Menschen häufig ganz automatisch, ohne dass uns das bewusst ist. Bestimmte Merkmale öffnen bestimmte Schubladen, in denen wir Menschen ablegen. So nehmen wir uns die Chance, ganz neue Erfahrungen zu machen und unseren Horizont zu erweitern.

Darüber hinaus gibt es viele unbewusste Prozesse, in denen wir mit den Gedanken überall sind, nur nicht im gegenwärtigen Moment. Ein gutes Beispiel ist das Essen. Nimmst du dir Zeit, das Essen wirklich zu schmecken? Nimmst du wahr, wie es riecht, welche Geschmacksknospen es kitzelt? Schaust du dir dein Essen wirklich an, bevor du isst? Oder bist du in Gedanken beim zurückliegenden

Achtsamkeit Essen genuss

Gespräch mit deiner Freundin? Denkst du darüber nach, welche Aufgaben du nach dem Essen noch erledigen musst? Schaust du vielleicht Fernsehen oder spielst während des Essens mit deinem Handy herum?

Der Autopilot hat natürlich im Alltag seine Berechtigung, du kannst nicht ständig achtsam sein. Du kannst aber darauf achten, dass du deine Routinen immer wieder durch achtsame Handlungen und Wahrnehmungen unterbrichst. Ich verspreche dir, du wirst die Welt nach relativ kurzer Zeit anders sehen und eine Form von Fülle erleben, die du so noch nicht kennst. Die Welt wird tatsächlich zu einem schöneren Ort, wenn du dich für Achtsamkeit entscheidest und ihr einen größeren Raum in deinem Leben einräumst. Du selbst wirst gelassener und kannst deine Umgebung und deine eigenen Empfindungen bewusster wahrnehmen. Du denkst, das ist eine kühne Versprechung? Nun, probiere es aus!

Wie oben bereits beschrieben, ist Achtsamkeit eine bewusste Entscheidung. Ein Ankommen im Hier und Jetzt, im Moment. Achtsamkeit wird auch definiert als „bewusstes, urteilsfreies Wahrnehmen des gegenwärtigen Moments“. Achtsam zu sein bedeutet, innezuhalten und für einen Moment aus den Routinen auszusteigen:

  • Du erlebst den Moment und nimmst ihn wahr, ohne ihn zu bewerten
  • Du erlebst den Moment und nimmst ihn wahr, ohne ihn zu hinterfragen
  • Du erlebst den Moment und nimmst ihn wahr, ohne ihn verändern zu wollen

Das gilt sowohl für die innere Wahrnehmung wie das Wahrnehmen von Gefühlen und Gedanken als auch für das Wahrnehmen äußerer Geschehens und der Umwelt.

Dazu gibt es eine Geschichte über einen buddhistischen Mönch, der von seinen Schülern gefragt wurde, warum er stets so gelassen ist. Hier kommt seine Antwort in Kurzform:

„Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich esse, dann esse ich. Ihr aber lauft schon, wenn ihr steht. Wenn ihr geht, seid ihr schon angekommen. Und wenn ihr esst, seid ihr schon fertig.“

Was bewirkt Achtsamkeit?

Inzwischen gibt es viele aussagekräftige Untersuchungen über die Auswirkungen von Achtsamkeit. Die Autoren des Buches „Das Achtsamkeitstraining“ beschreiben die Auswirkungen so:

  • Achtsamkeit reduziert Stress und wirkt blutdruckregulierend
  • Angst, Depressionen und Reizbarkeit werden reduziert
  • Das eigene Wohlbefinden wird gesteigert
  • Das Immunsystem wird gestärkt
  • Schmerzen, Krankheiten und psychische Beeinträchtigungen werden positiv beeinflusst
  • Der Schlaf wird besser

Ich ergänze dies Aufzählung um den Faktor Selbsterkenntnis, was ich auch sehr wichtig finde. Es ist eine Tatsache, dass man sich selbst besser kennenlernt und vor allem auch lernt, liebevoller und wertschätzender mit sich selbst umzugehen. Das finde ich in Zeiten wie diesen, wo wir so oft fremdgesteuert sind und uns den Anforderungen und den Einflüsterungen von außen zumeist völlig unbewusst beugen, sehr bedeutsam.

Einige gute Gründe, wie ich finde, sich näher mit Achtsamkeit zu befassen und sie in die täglichen Routinen einzubauen. Es ist hier wie bei allem anderen auch: Man muss es üben und das Gehirn trainieren. Nur hin und wieder mal eine Achtsamkeitsübung in den Tagesablauf einzubauen, bringt sicher nicht den erwünschten Nutzen. Aber zur Beruhigung sei gesagt, dass die Übungen in der Regel nicht viel Zeit in Anspruch nehmen und keinerlei Hilfsmittel benötigen. Zur Not kann man sie sogar auf der Toilette praktizieren, wenn man sonst nirgendwo Ruhe findet.

Achtsamkeitsübungen

Achtsamkeit Meditation Schreibtisch Alltag Frau

Im Folgenden stelle ich dir zwei Übungen vor, die du einfach in deinen Alltag integrieren kannst. Sie kommen dir vielleicht beim ersten Durchlesen einfach vor, aber die Tücke liegt wie so oft im Tun. Probiere aus, was dir von den Übungen gut gefällt und nimm diese in deine täglichen Routinen auf.

Die 1-Minute-Atemmeditation

  • Setze dich aufrecht hin, stelle die Füße auf den Boden und schließe die Augen
  • Konzentriere dich auf deinen Atem. Nimm wahr, wie er ein- und ausströmt. Du musst nichts verändern an deinem Atemrhythmus, lasse ihn einfach fließen.
  • Versuche, mit deiner Aufmerksamkeit bei der Atmung zu bleiben. Es kann sein, dass Gedanken auftauchen. Nimm sie wahr, ohne ihnen Aufmerksamkeit zu schenken und lasse sie vorüberziehen wie Wolken am Himmel.
  • Vielleicht erlebst du einen Moment der Ruhe, der unter Umständen nur kurz ist. Möglicherweise spürst du Ungeduld und Ruhelosigkeit, aber auch das ist flüchtig.
  • Nach einer Minute öffnest du die Augen und kommst du wieder mit deiner Aufmerksamkeit zurück in den Raum.

Gewohnheiten brechen

Diese Übung kannst du täglich machen und sie immer wieder variieren. Sie ist ganz einfach und hat das Ziel, die täglichen Routinen zu durchbrechen. Hier ein paar Vorschläge; du darfst deiner Fantasie und Kreativität freien Lauf lassen.

  • Putze deine Zähne mit deiner nicht-dominanten Hand. Als Rechtshänder nimmst du die linke Hand, als Linkshänder die rechte.
  • Fahre oder gehe einen anderen Weg zur Arbeit.
  • Iss mit der nicht-dominanten Hand und spüre genau nach, wie es sich anfühlt.

Solltest du gerne tiefer in das Thema einsteigen wollen, habe ich für dich noch ein paar Literaturtipps. Es gibt unzählige Bücher zu dem Thema.

Sei lieb zu dir und erwarte nicht zu viel. Und nun ganz viel Spaß beim Üben.

Literaturempfehlungen

Jon Kabat-Zinn: Das Abenteuer Achtsamkeit, Freiburg: Arbor Verlag GmbH (2015)

 

 

Mark Williams & Dan Penman: Das Achtsamkeitstraining – 20 Minuten täglich, die Ihr Leben verändern, München: Wilhelm Goldmann Verlag (2015)

 

Doris Iding: Achtsam in drei Atemzügen, München: Irisiana Verlag (2019)

Quellen

  • Tan, C.-M. (2012). Search Inside Yourself. Increase productivity, creativity and happiness. New York: HarperCollins
  • Williams, M. & Penman, D. (2015). Das Achtsamkeitstraining – 20 Minuten täglich,die Ihr Leben verändern. München: Goldmann

 

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